Manche behaupten, Sport stärkt das Immunsystem. Andere wiederum sind der Meinung, das Immunsystem wird durch intensives Training angegriffen und geschwächt. Doch was stimmt nun wirklich? In diesem Beitrag möchte ich euch mit den aktuellen Erkenntnissen aus Forschung und Wissenschaft zum Einfluss von Sport auf das Immunsystem vertraut machen und euch erklären, wie Ihr in diesen harten Zeiten gesund und fit bleiben könnt.
Besonders in den 1980er und 90er Jahren wurde oft vermutet, dass längeres und intensives Training unser Immunsystem schwächt (oder unterdrückt) und die Anfälligkeit für „opportunistische“ Infektionen erhöht. Es gibt jedoch inzwischen aktuellere Forschungsergebnisse, die einen alternativen Blickpunkt zu diesem Standpunkt bieten und suggerieren, dass Sport und Fitnesstraining unser Immunsystem stärken und unsere Körper robuster gegenüber Krankheiten machen … vorausgesetzt man findet die richtige Balance zwischen Trainingsdauer und -intensität.
Sport und Immunsystemunterdrückung: Die frühe Forschung
Frühe Studien zum Einfluss von Sport auf das Immunsystem, die Ende des 20. Jahrhunderts durchgeführt wurden, haben untersucht, ob es bei Ausdauersportlern nach einem Langstreckenerweignis mit Massenbeteiligung zu einem vermehrten Auftreten von Symptomen einer Infektion der oberen Atemwege (z.B. laufende Nase, Husten, Halsschmerzen) kommt.

Tatsächliche wurde von vielen Studienteilnehmern bestätigt, dass sie an einem oder mehreren dieser Symptome litten, was die Meinung bestärkt hat, sportliche Aktivität würde das Infektionsrisiko erhöhen. Schaut man genauer hin, erkennt man aber auch einen riesigen Schwachpunkt dieser Studien. Denn die Teilnehmer wurden lediglich nach dem Auftreten der Symptome gefragt, es wurde jedoch keine der daraus abgeleiteten Infektionen in einem Labor untersucht oder bestätigt. Somit lässt sich im Nachhinein auch nicht sagen, ob es sich dabei wirklich um Symptome handelte, die durch eine Krankheit ausgelöst wurden. In der Tat deuten neuere Erkenntnisse vielmehr darauf hin, dass die meisten nach dem Training gemeldeten Symptome keine echten Infektionen sind, sondern durch andere Faktoren wie eine Allergie verursacht werden.
Der Einfluss von Sport auf das Immunsystem
Während des Sports steigt die Anzahl der Immunzellen im Blutkreislauf dramatisch an. Nur ein Beispiel sind die „natürlichen Killerzellen“, die sich um das Zehnfache erhöhen. Wenn das Training unterbrochen wird, nimmt die Anzahl der zirkulierenden Immunzellen erheblich ab (fällt manchmal sogar unter das Niveau vor dem Training) und bleibt 3-72 Stunden lang niedrig, bevor es schließlich wieder zum „Normalzustand“ zurückkehrt.
Vor einigen Jahrzehnten wurde noch angenommen, dass dies ein weiteres Indiz dafür wäre, dass Sport das Immunsystem wirklich schwächt. Man nannte das Konzept die “Open Window Theory” bzw. die “Offenes Fenster Theorie”, da man annahm, dass durch die Reduktion der zirkulierenden Immunzellen nach dem Sport ein Zeitfenster entsteht, während dem man besonders angreifbar für Infektionen und Krankheiten ist.

Seit seiner Einführung wurde dieses Konzept in der Fachwelt weitestgehend akzeptiert. Mittlerweile gibt es allerdings viele Hinweise darauf, dass die bisherige Interpretation der abnehmenden Immunzellen falsch war.
Der Rückgang der Immunzellzahlen nach dem Training bedeutet nämlich nicht, dass diese verloren gegangen sind oder zerstört wurden (was zu einer Funktionsminderung des Immunsystems führt). Vielmehr wissen wir jetzt, dass die Zellen “neu verteilt” werden, insbesondere in Bereiche des Körpers, die möglicherweise mit Krankheitserregern infiziert wurden. Beispielsweise werden einige Zellen aufgrund der Zunahme der Atemfrequenz und -tiefe während des Trainings in die Lunge umverteilt.
Diese alternative Erklärung legt nahe, dass eine akute Belastung tatsächlich unsere antibakterielle und antivirale Immunität verbessert, indem die ganzheitliche Immunüberwachung unseres Körpers verstärkt wird.
Trainingsdauer und -intensität: Auf die richtige Balance kommt es an
Etwa zur gleichen Zeit wie die der Open Window Theory wurde ein anderes Konzept namens „J-Kurve“ der Immunität bei körperlicher Betätigung entwickelt, das die Beziehung zwischen der Trainingsbelastung und dem damit verbundenen Infektionsrisiko veranschaulicht.
Die Theorie besagt, dass das Infektionsrisiko erheblich steigt, wenn Ihr zu stark bzw. intensiv trainiert. Interessanterweise scheint es das Krankheitsrisiko sogar stärker zu erhöhen, als überhaupt erst gar keinen Sport zu machen. Deshalb ist die J-Kurve auch so wichtig, denn sie suggeriert einen Punkt an dem es eine perfekte Balance zwischen sportlicher Intensität und einem möglichst geringen Infektionsrisiko gibt. Mit anderen Worten: Athleten, die mäßig trainieren, sind besser vor Erkältungen oder andere Infektionskrankheiten geschützt als „Couchsurfer“. Aber diejenigen, die regelmäßig extrem hart trainieren, sind einem noch höheren Krankheitsrisiko ausgesetzt als die “Couchsurfer”. Es wird angenommen, dass eine anspruchsvolle Trainingsbelastung körperliche Schäden im Körper verursacht, die wiederum eine Reihe von Stressreaktionen verursachen, durch die unser Körper letztendlich nicht mehr dazu in der Lage ist, Infektionen abzuwehren.

Die moderne Sicht der Forschungs besagt inzwischen, dass es nicht die Teilnahme an einer anstrengenden Trainingseinheit ist, die das Infektionsrisiko einer Person erhöht, sondern die Faktoren, die damit verbunden sind. Natürlich sind neben dem Training eine ganze Reihe von Faktoren bekannt, die unsere Immunfunktion beeinflussen können. Dazu gehören Schlafstörungen, Temperaturänderungen, Müdigkeit, veränderte oder unzureichende Ernährung, Dehydration, psychischer Stress und / oder Umwelteinflüsse.
Die Gefahren von “Übertraining”
Es ist ein Missverständnis, Bewegung als “immunsuppressiv” bzw. immunsystemschwächend zu bezeichnen. Es gibt nur begrenzte verlässliche Beweise, die diesen Standpunkt stützen, und es ist weitaus wahrscheinlicher, dass häufiges, mäßiges Training die Leistungsfähigkeit unseres Immunsystems massiv verbessert. Trotzdem beeinträchtigt eine konsequente Überanstrengung beim Trainings eure Immunabwehr und sollte als äußerst kontraproduktiv angesehen werden, insbesondere in Zeiten mit hohem Stress, in denen euer Immunsystem möglicherweise bereits ohnehin geschwächt ist.

Wie Ihr euer Immunsystem trainieren und stärken könnt
Ein geschwächtes Immunsystem kann zu schlechter Gesundheit und mangelhafter Leistung führen. Wenn Ihr euer Immunsystem so stark und gesund wie möglich haltet, erhöht Ihr die Chancen, alle Infektionen abzuwehren, mit denen Ihr in Kontakt kommt! Mit den folgenden einfachen Tricks könnt Ihr effektiv dazu beitragen, euer Immunsystem in einem hervorragenden Zustand zu bringen.
Achtet auf eure Trainingsbelastung
Regelmäßige Bewegung ist für Geist, Körper und Immunsystem unerlässlich, aber in Zeiten mit hohem Stress (sei es in Zeiten von Stress auf der Arbeit, bei anstehenden Wettkämpfen oder durch viele Reisen) ist das Infektionsrisiko am größten. Dies ist nicht die Zeit, um euer Training auf die nächste Stufe zu heben oder drastische Änderungen vorzunehmen. Stattdessen solltet Ihr euch beim Sport ein wenig zurücklehen um euer ohnehin schon gestressten Körper nicht zu überlasten. Reduziert eure Gesamtlast auf 75 oder sogar 50 Prozent eurer normalen Trainingslast und euer Körper wird es euch langfristig danken!
Effektive Energieversorgung
Wenn Ihr harte Sporteinheiten absolviert, solltet Ihr sicherstellen, dass euer Körper effektiv mit Energie und Flüssigkeit versorgt wird. Euer ultimatives Ziel sollte es sein, einen Glykogenmangel zu vermeiden. Geringe Energieverfügbarkeit und Nährstoffmängel sind mit einem erhöhten Infektionsrisiko verbunden, da der Körper durch diese Art von “Stresszustand” auch wieder zusätzlich belastet wird. Priorisiert daher eine qualitativ hochwertige Ernährung in Zeiten erhöhter Anfälligkeit. Wenn Ihr euch für eine längere, härtere Trainingseinheit entscheidet, stellt immer sicher, dass Ihr bald danach etwas essen und trinken könnt.

Ausreichend Schlaf
Eine gute Mütze Schlaf (mindestens 8 Stunden) ist einer der wichtigsten Faktoren für eine gute Regeneration eines jeden Sportlers, egal ob Profi oder Hobbyathlet. Die Regeneration sollte oberste Priorität für euch haben und mindestens mit dem eigentlichen Training auf eine Stufe gestellt werden, also spart nicht am Schlaf!
Psychologischen Stress handhaben
Studien haben gezeigt, dass erhöhter Stress, der durch ein bevorstehendes Ereignis verursacht wird, einen Athleten für ein erhöhtes Infektionsrisiko prädisponieren kann. Gleiches gilt für Lebensstress, Ängste und Sorgen. Unabhängig davon, ob wir uns dessen bewusst sind oder nicht, nehmen wir alle ein gewisses Maß an Stress auf (und einige mehr als andere). Daher ist es wichtig, sich Zeit zu nehmen, um geistig Stress abzubauen: Geht spazieren, meditiert, lest ein Buch oder schaut eure Lieblingsserie auf Netflix. Was auch immer eurem Geist hilft, sich zu entspannen … tut es!
Auf Zeichen von Übertraining achten
Es ist eine großartige Idee, Dinge wie die morgendliche Ruheherzfrequenz , die Stimmung, die Leistung und die Motivation in einem Trainingstagebuch festzuhalten. Wenn Ihr dies Messwerte genau aufzeichnet und lernt, die Zeichen eures Körpers zu lesen und zu verstehen, kann diese Art von Informationen als Frühwarnsystem für den Fall dienen, dass Ihr langsam müde werdet und eine Pause benötigt!
Krankheitserreger meiden
Der letzte Tipp liegt auf der Hand: Vermeidet es so gut es geht, euren Körper potenziellen Infektionsquellen auszusetzen (insbesondere in Zeiten, in denen das Immunsystem wahrscheinlich geschwächt ist). Dies beinhaltet in erster Linie viele relativ einfache und sich wiederholende Schutzmaßnahmen des „gesunden Menschenverstandes“ wie…
- Kontakt oder Nähe zu offensichtlich kranken Menschen zu meiden
- regelmäßiges Händewaschen und gute Hygiene
- das Teilen von Tassen, Wasserflaschen und Besteck zu vermeiden
- überfüllte Bereiche wie öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten zu meiden
Wenn Ihr in Zeiten erhöhter Krankheitsanfälligkeit vernünftig und moderat trainiert, kann sich dies auszahlen, indem es euch auf lange Sicht Konsistenz und eine starke Gesundheit ermöglicht. Oder um es mit einer bekannten Phrase zu sagen: “Trainiert smart!”
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