Muskelaufbau: Die Biomechanik des Muskelwachstums

Muskulöser Bodybuilder trainiert am Kabelzug
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Beim Muskelaufbau geht es um mehr als nur darum, mehr Sätze zu absolvieren und schwerere Gewichte zu stemmen. Versteht mich nicht falsch, die Steigerung des Trainingsvolumens und die progressive Überlastung sind definitiv wichtige Faktoren für das Muskelwachstum, aber eben nicht alles! In diesem Artikel sprechen wir daher Kraftkurven und Widerstandsprofile – also die Physik hinter dem Muskelaufbau.

Wenn Ihr Euch nur auf das klassische Hanteltraining beschränkt, werdet Ihr niemals über einen bestimmten Punkt des Muskelwachstums hinauskommen. Wenn Ihr stattdessen aber das Muskelwachstum maximieren wollt, müsst Ihr den Muskel, den Ihr ansprechen wollt, gezielt isolieren und mechanisch belasten. Und das ist alles eine Frage der Physik.

Was sind Kraftkurven und Widerstandsprofile

Wenn Ihr in der jüngeren Vergangenheit schon das eine oder andere Gewicht gestemmt habt, ist Euch vielleicht aufgefallen, dass es sich an bestimmten Stellen während der Bewegung “schwerer” und an anderen Stellen “leichter” anfühlt. Ihr wisst zum Beispiel, wenn Ihr die Hantel bei einem Bizeps-Curl über die schwierige erste Hälfte des Weges nach oben bringt, geht sie den Rest des Weges ohne Probleme weiter nach oben. Oder wenn Ihr beim Bankdrücken den schwierigen Punkt am unteren Ende überwinden könnt, könnt Ihr sie wahrscheinlich problemlos bis zum oberen Ende durchdrücken.

Muskulöser Mann trainiert angestrengt im Fitnessstudio

Das liegt daran, dass das Torsionsmoment auf einen Muskel während einer Übung nicht konstant ist. Sofern Ihr nicht an ausgefallenen Geräten wie einer Biodex-Maschine trainiert, verwenden die meisten handelsüblichen Fitnessgeräte einen variablen Widerstand. Das bedeutet, dass sich der Winkel Eures Gelenks im Verhältnis zum Gewicht, das Ihr hebt, ändert und damit auch die mechanische Spannung auf den Muskel.

Die Wissenschaft in die Praxis umsetzen

Nehmen wir zum Beispiel an, dass Ihr versucht, massive Brustmuskeln aufzubauen. Da der große Brustmuskel (Pectoralis major) hauptsächlich für die horizontale Adduktion verantwortlich ist, könnten Kurzhantel-Flies eine sinnvolle Übung für Euch sein. Schauen wir uns also mal an, was am Anfang der Bewegung passiert. Wenn sich die Hanteln auf der Mittellinie über eurer Brust einander nähern, werden die Gelenke gestapelt, und die Spannung der Brustmuskeln nimmt für einen kurzen Moment deutlich ab. Auch wenn Ihr zu Beginn der Bewegung das Gefühl hattet, dass Eure Brustmuskeln hart arbeiten, nahm das auf den Muskel wirkende Torsionsmoment erheblich ab, da der horizontale Abstand (Momentarm) zwischen dem Gewicht und dem Schultergelenk (Drehachse) abnahm. Das Gewicht fühlt sich im oberen Teil der Bewegung subjektiv “leichter” an als in der unteren Hälfte.

Überlegen wir uns, wie wir dieses Konzept nutzen können, um die Spannung auf den Muskel, den wir wachsen lassen wollen, während der gesamten Bewegung aufrechtzuerhalten, indem wir die Übung ein wenig verändern und einen Kabelzug statt Kurzhanteln verwenden. Wenn das Kabel seitlich und leicht hinter Euch verankert ist, bleibt der Widerstand konstant, während sich die Hände der Mittellinie nähern. Ihr erhaltet mehr Spannung über einen größeren Bewegungsbereich und einen längeren Zeitraum, und wir wissen, dass diese Faktoren eine Schlüsselrolle beim Muskelwachstum spielen.

Freie Übungen müssen nicht immer effektiver als Geräte sein

Gehen wir noch ein weiteres Beispiel durch. Für die meisten Menschen ist die Kniebeuge die beste Übung für einen kräftigen Quadrizeps. Aber übt das Widerstandsprofil einer Kniebeuge auch die größte Spannung auf die Quadrizepsmuskeln aus?

Wenn Ihr Euch aus der Hocke herausbewegt, zieht sich der Quadrizeps zusammen, um das Knie zu strecken. Sobald Ihr jedoch den Knickpunkt überwunden habt und Eure Gelenke gestreckt und zueinander versetzt sind, muss der Quadrizeps immer weniger kontrahieren. Am oberen Ende der Bewegung hat der Quadrizeps dann einen Großteil seiner Spannung verloren. Eine bessere Möglichkeit, nicht nur die Zeit unter Spannung zu maximieren, sondern auch eine gezieltere Kontraktion Eurer Quads zu erreichen, ist ein Besuch an der Beinstreckmaschine.

Wenn Ihr die Knie streckt, um die Beinstreckung einzuleiten, entfernt sich der Widerstand weiter vom Kniegelenk (Drehachse), wodurch sich das Torsionsmoment auf die Quad-Muskeln erhöht. Die Kraftkurve dieser Bewegung hat etwas von einer Glockenkurve, was bedeutet, dass das Drehmoment zu Beginn und am Ende der Übung etwas geringer ist. Die Beinstreckung kann jedoch erheblich mehr Spannung auf den Quadrizeps ausüben als eine normale Kniebeuge, insbesondere auf den Musculus rectus femoris, was im Laufe der Zeit zu größeren Muskelzuwächsen führt.

Sportlicher Mann trainiert an einer Beinstreckmaschine

Fazit

Wenn Ihr in Eurem Bestreben, Muskeln aufzubauen, auf ein Plateau gestoßen seid, solltet Ihr Euren Trainingsplan genau unter die Lupe nehmen. Seid Ihr bei der Auswahl Eurer Übungen klug vorgegangen und habt Ihr die Übungen ausgewählt, die am ehesten zu einer Muskelhypertrophie führen? Oder wählt Ihr sie willkürlich aus, basierend darauf, was irgendein Typ auf Instagram macht? Für effektiven Muskelaufbau solltet Ihr Übungen ausführen, bei denen eure Muskulatur maximal belastet wird und dauerhaft unter Spannung steht. Außerdem sind Teilwiederholungen und Intensitätstechniken eine gute Ergänzung, um das letzte bisschen Kraft aus Euren Muskeln herauszukitzeln.

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