Gesundheit: Wie das goldene Zeitalter der Falschinformationen uns umbringt

Zeitung und Ipad mit Newsartikeln
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Falschinformationen werden heutzutage in einem wahnsinnigen Tempo verbreitet – und können teilweise verheerende Auswirkungen haben. Zum Glück gibt es einen Ausweg. In diesem Artikel erfahrt Ihr, wie Ihr aus dem, was Ihr im Internet, den sozialen Medien und Co. seht, die wahren Innformationen herausfiltern könnt. Denn all die Unwahrheiten und … sind auf Dauer nicht nur nervig, sondern schaden auch unserer Gesundheit!

Die Verbreitung von Verschwörungstheorien

Wir alle wurden schon einmal mit irgendeiner Form von “Bullshit” konfrontiert. Aber nicht auf diese Weise. Wir sind inzwischen auf dem Höhepunkt der Fehlinformation angekommen – und das schadet unserer Gesundheit.

In einer kürzlich durchgeführten Umfrage gaben beispielsweise 20 % der befragten US-Bürger an, dass sie glauben, dass Covid-Impfstoffe einen Mikrochip enthalten. Man bedenke: Ein Fünftel der Befragten vertritt eine Theorie, die auf die Idee zurückgeht, dass Bill Gates die Aktivitäten der Bürger verfolgen will. Diese Umfrage ergab zudem, dass nur 46 Prozent der Befragten bereit waren zu sagen, dass die Sache mit dem Mikrochip definitiv falsch ist. Und das, obwohl es ÜBERHAUPT KEINE plausible Möglichkeit gibt, dass dies in irgendeiner Form der Fall sein könnte. Diese Zahlen sind also extrem beunruhigend. Aber angesichts unserer heutigen, teils extrem hektischen Informationsumgebung sind sie auch, nun ja, verständlich. Es wird immer schwieriger, das Reale vom Irrealen zu unterscheiden. Sinn von Unsinn. Rationales Denken von Mikrochips.

Vor nicht allzu langer Zeit schockierte mich eine Schlagzeile über “Covid-Partys” – Menschen, die sich angeblich treffen, um sich und andere absichtlich zu infizieren. Wütend und ohne eine Pause zum Nachdenken zu machen (oder die Fakten ausreichend zu überprüfen), habe ich mich sofort in den sozialen Medien darüber ausgelassen, wie unverantwortlich das war. Die Realität: Covid-Partys sind meist eine urbane Legende. Ich habe nur zum Lärm und zu unserer kollektiven Angst beigetragen.

Fake News über das Coronavirus im Internet

Das goldene Zeitalter der Falschinformationen

Dies ist wahrlich das goldene Zeitalter der Falschinformation. Wir befinden uns, wie die Weltgesundheitsorganisation Anfang 2020 erklärte, mitten in einer “Infodemie” – einer Zeit, in der sich schädliche Falschinformationen wie eine unaufhaltsame Infektionskrankheit ausbreiten.

Ein Teil des Problems besteht darin, dass wir den Unsinn auf sehr subtile und auf sehr offensichtliche Weise normalisiert haben. Es gibt sogar eine ganze Reihe (sehr) erfolgreicher Wellness-Gurus, die Pseudowissenschaft als zentrale Markenstrategie einsetzen. Und dank Leuten wie Andrew Wakefield – dem in Ungnade gefallenen ehemaligen Arzt, der in einer, in der Zeitschrift ‘The Lancet’, veröffentlichten und später zurückgezogenen Arbeit den abscheulichen Irrtum “Impfstoffe verursachen Autismus” in die Welt gesetzt hat – haben sich Fehlinformationen über die Sicherheit von Impfstoffen weiter verbreitet und neue Zielgruppen gefunden.

Eine traurige Wahrheit: Falschinformationen und Männer sind eine besonders schlechte Kombination, und sie schadet unserer Gesundheit. Untersuchungen der Universität von Delaware zeigen, dass Männer eher an Covid-Verschwörungstheorien glauben [1], während weitere Untersuchungen deuten darauf hin, dass sie sich auch weniger Gedanken über die schädlichen Auswirkungen von Fehlinformationen machen [2]. Darüber hinaus lassen sich Männer auch seltener mit dem Covid-Impfstoff impfen. Zwar gibt es unzählige Gründe für dieses Zögern, aber die männliche Neigung, Covid-Verschwörungstheorien zu akzeptieren und sich von ihnen beeinflussen zu lassen, ist ein wichtiger Teil der Geschichte. Deshalb ist es gerade für Männer wichtig, die hier vorgestellten Strategien zu nutzen, um eine die Informationsflut da draußen besonnen aufzunehmen und mit einer gewissen Skepsis zu verdauen.

Unser Informationsumfeld schadet unserer Gesundheit

Unser Informationsumfeld ist zu einem chaotischen, verwirrenden, ausbeuterischen Shitstorm geworden, der unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden zerstört. Es gibt eine Vielzahl von Kräften, die es uns zunehmend erschweren, die schädlichen Informationen zu meiden – oder überhaupt erst zu erkennen. Und all dies geschieht genau zu dem Zeitpunkt in der Geschichte, an dem wir uns nach Fakten und ein wenig Klarheit sehnen und diese auch dringend brauchen!

Die Infodemie hat dazu beigetragen, das Vertrauen in wissenschaftliche Erkenntnisse zu schwächen, da diejenigen, die Fehlinformationen verbreiten, häufig versuchen, Zweifel und Misstrauen zu schüren. Auch die wissenschaftliche Gemeinschaft trägt einen Teil der Schuld, da gelegentlich schlechte Forschung und schlecht kommunizierte Ergebnisse für Verwirrung sorgen. (“Masken funktionieren nicht” vs. “Doch, Masken sind der beste Schutz”). Aber so funktioniert die Wissenschaft: Erkenntnisse entwickeln sich weiter und Empfehlungen ändern sich – und es ist wichtig, diese Änderungen transparent zu machen. Seid Euch einfach bewusst darüber, dass der Großteil der Medien und selbsternannten Experten da draußen meist versuchen, eine endgültige Aussage über Dinge zu treffen, zu denen die Wissenschaft noch keine eindeutigen Belege geliefert hat. Man sollte solche Stimmen daher immer mit Vorsicht genießen!

Aber es gibt einen Weg nach vorn! Wenn wir einige Werkzeuge des kritischen Denkens anwenden und uns der Taktiken bewusst sind, mit denen Falschinformationen verbreitet werden, können wir wir besser im heutigen Informationsdschungel orientieren.

Junge Frau denkt über die Nachrichten im Internet nach

Wie konnte es soweit kommen?

Es gibt keinen einzigen Grund dafür, dass Halbwahrheiten oder absichtliche Unwahrheiten die Akzeptanz und den Austausch wissenschaftlich fundierter Informationen untergraben. Es ist ein komplexes Geflecht aus vielen Faktoren. Aber wenn ich mich für einen Faktor entscheiden müsste, der am meisten dazu beigetragen hat, diese Ära der Falschinformationen zu beschleunigen, dann liegt die Wahl auf der Hand: die sozialen Medien. Im Juli diesen Jahres ging US-Präsident Joe Biden sogar so weit zu sagen, dass Fehlinformationen in den sozialen Medien “Menschen töten” – eine Behauptung, die sowohl alarmierend ist als auch durch eine wachsende Zahl von Beweisen gestützt wird.

Wer seine Nachrichten aus den sozialen Medien bezieht, neigt eher dazu, Falschinformationen zu glauben und zu verbreiten, so eine Studie der McGill University aus dem Jahr 2020 [3]. Eine Analyse des Pew Research Center kam zu einem ähnlichen Ergebnis [4]. Andere Untersuchungen haben die Ursprünge der in der Populärkultur kursierenden Covid-Fehlinformationen auf bestimmte Plattformen zurückgeführt. So ergab eine Analyse der Press Gazette von 2020 von mehr als 7.000 irreführenden Behauptungen über Covid, dass mehr als die Hälfte auf Facebook entstanden waren [5]. Wir wissen, dass sich Falschinformationen schnell und weit verbreiten können. Im August veröffentlichte Facebook einen Bericht über die am häufigsten aufgerufenen Inhalte von Januar bis März 2021. Der Gewinner? Ein irreführender Artikel, in dem behauptet wurde, der Covid-Impfstoff habe jemanden getötet. Diese Falschinformation wurde allein von Facebook-Nutzern in den USA in diesem Dreimonatszeitraum fast 54 Millionen Mal aufgerufen und wurde von zahllosen Impfgegnern für ihre Propaganda genutzt – was seine Wirkung natürlich noch verstärkte.

Diese Art von Medienecho richtet großen Schaden an und führt im schlimmsten Fall zu Todesfällen und Krankenhausaufenthalten. Oder sie verstärkt die Stigmatisierung und Diskriminierung in unserer Gesellschaft, was auf Dauer auch nicht unbedingt besser ist, schließlich ist Fair Play nicht nur im Sport wichtig! Eine Studie aus der Anfangszeit der Pandemie brachte mehr als 800 Todesfälle und Tausende von Krankenhausaufenthalten mit einem vor allem über soziale Medien verbreiteten Gerücht über die Verwendung von Methanol als Heilmittel für Covid in Verbindung [6]. Eine in diesem Jahr veröffentlichte Studie ergab zudem, dass die Verbreitung von Fehlinformationen über die Covid-Impfstoffe im Internet eine erhebliche Auswirkung auf die zögerliche Impfhaltung hatte – und damit unsere Fähigkeit, eine Herdenimmunität zu erreichen, gefährdete [7].

Mann mit Laptop und Handy auf den sozialen Medien

Die Sozialen Medien als Hauptproblem

Es gibt viele Gründe, warum dies geschieht. Unser derzeitiges Informations-Ökosystem ist ein hektisches Geflecht, das nicht wirklich zu einer sorgfältigen Prüfung der Fakten einlädt, vor allem, wenn die Schlagzeile unsere Emotionen anspricht. Wir reagieren schnell auf die Eindrücke, die Inhalte hinterlassen. Wir wissen zum Beispiel, dass der Mensch evolutionär dazu veranlagt ist, sich an negative und beängstigende Informationen zu erinnern und darauf zu reagieren. Diese Neigung zur Negativität ist universell. Medienexperimente haben in diesem Zusammenhang beispielsweise ergeben, dass negative Schlagzeilen besser ankommen als positive.

Es gibt darüber hinaus auch immer mehr Belege dafür, dass der Umgang mit den sozialen Medien uns unter Stress setzt. Und wenn wir gestresst sind, neigen wir eher dazu, Fehlinformationen zu glauben und zu verbreiten – und damit einen sich beschleunigenden Kreislauf aus Angst, Furcht und Blödsinn in Gang zu setzen. In dem Begriff “Deathscrolling” steckt eine gewisse Ironie. Die Anziehungskraft dieses Strudels wird noch dadurch verstärkt, dass die Algorithmen, mit denen die Social-Media-Plattformen entscheiden, was wir sehen, weiterhin dafür sorgen, dass schädliche – und oft angstmachende Falschinformationen unsere Feeds überfluten. Dies kann Menschen schnell dazu bringen absurde Theorien über Mikrochips, giftige Impfstoffe, 5G-verursachte Krankheiten und Aliens zu glauben, die speziell darauf ausgelegt sind, unsere Interessen und Werte zu bedienen. Die Auswirkungen dieser personalisierten Medienkuration können erschütternd sein. Eine Analyse der aus dem Jahr 2020 schätzt in diesem Zusammenhang, dass allein der von Facebook verwendete Algorithmus in nur einem Jahr 3,8 Milliarden Aufrufe von Falschinformationen zum Thema Gesundheit generierte [8].

Ein weiteres Problem: Lügen, Fake News und Pseudowissenschaft können überzeugender dargestellt werden (Mikrochips in den Impfstoffen!) als die langweilige Wahrheit (sichere, in klinischen Studien getestete, tatsächliche Impfstoffbestandteile). In der Tat hat die Forschung herausgefunden, dass, wie das bekannte Sprichwort von Mark Twain sagt, “eine Lüge um die halbe Welt reisen kann, während sich die Wahrheit noch die Schuhe anzieht”. Falschinformationen und Verschwörungstheorien können uns auch deshalb in ihren Bann ziehen, weil sie eine vollständige Erklärung dafür liefern können, warum etwas passiert. Sie können Antworten auf Fragen geben, die aus wissenschaftlicher Sicht ungelöst bleiben. Während der Pandemie zum Beispiel war – und ist – noch immer vieles unbekannt. Das kann sich verwirrend anfühlen. Eine Geschichte, die Antworten gibt, selbst eine scheinbar verrückte Verschwörungstheorie, kann tröstlich sein – vor allem, wenn diese Geschichte unsere bereits vorhandenen Werte und Überzeugungen widerspiegelt (“Ah, es war der böse Bill Gates und seine Mikrochips!”).

Menschenmenge protestiert mit Fake News Schildern

Und das bringt uns zur Ideologie

Die Verbreitung von Fehlinformationen war schon immer mit einem ideologischen Touch verbunden. Eine Botschaft zu verfassen, die zu einer bestimmten Weltanschauung passt, ist ein todsicherer Weg, um Falschinformationen attraktiver zu machen, zumindest für diejenigen, die diese Weltanschauung vertreten. Wir machen uns nicht nur unseren “Confirmation Bias” zunutze – also die starke psychologische Tendenz, Informationen zu sehen, zu verarbeiten und im Gedächtnis zu behalten, die unsere bereits vorhandenen Überzeugungen bestätigen – sondern nutzen auch die Ideologie als Aufhänger, um die eigentliche Wissenschaft zu umgehen, wenn wir Falschinformationen verbreiten. Die Botschaft dreht sich dann um eine ideologische Position und nicht darum, was die Wissenschaft sagt oder nicht sagt. Ich möchte klarstellen, dass ich niemanden wegen seiner politischen Neigung verurteile. Die ideologische Beeinflussung der Wissenschaft findet im gesamten Glaubensspektrum statt. Der Punkt ist, dass die Ideologie eine Rolle spielt, wenn es darum geht, Falschinformationen zu akzeptieren und weiterzugeben. Wir alle – Rechts, Links, Mitte – müssen uns dessen bewusst sein.

Experten haben die zweischneidige Natur der sozialen Medien schon lange erkannt. Sie können uns zusammenbringen, indem sie uns mit Gemeinschaften, Freunden und Familien verbinden. Aber sie können uns auch auseinander treiben – vor allem, wenn es um Ideologie geht. Soziale Medien sind Verstärker der politischen Polarisierung. Sie verschärfen die Polarisierung und ermöglichen es denjenigen, die unsere Differenzen zu ihrem Vorteil ausnutzen wollen, diese Polarisierung auf neue Weise zu nutzen. Die öffentlichen Diskussionen über Covid wurden politisch polarisiert, kaum dass die Pandemie ausgerufen wurde. Unser Informationsumfeld wird zunehmend von den sozialen Medien beherrscht und durch einen giftigen Eintopf aus Angst, Misstrauen, Unsicherheit und politischer Polarisierung angeheizt. Das Erkennen der Kräfte, die Fehlinformationen vorantreiben, ist ein wichtiger Schritt, um ihre Verbreitung zu stoppen. Die wichtigste Empfehlung zum Erkennen von Fehlinformationen besteht darin, auf die eigenen Gefühle zu achten. Wenn ich mich bei einem Inhalt politisch selbstgerecht fühle, als würde ich gleich einen politischen Fußball schießen, dann weiß ich, dass ich beim Teilen besonders vorsichtig sein muss. Denn irgendwo auf dem Spielfeld befindet sich wahrscheinlich eine Falschinformation.

Referenzen

  1. Cassese, E. C., Farhart, C. E., & Miller, J. M. (2020). Gender differences in COVID-19 conspiracy theory beliefsPolitics & Gender16(4), 1009-1018.
  2. Almenar, E., Aran-Ramspott, S., Suau, J., & Masip, P. (2021). Gender differences in tackling fake news: Different degrees of concern, but same problemsMedia and Communication9(1), 229-238.
  3. Bridgman, A., Merkley, E., Loewen, P. J., Owen, T., Ruths, D., Teichmann, L., & Zhilin, O. (2020). The causes and consequences of COVID-19 misperceptions: Understanding the role of news and social mediaHarvard Kennedy School Misinformation Review1(3).
  4. Mitchell, A., Jurkowitz, M., Oliphant, J. B., & Shearer, E. (2020). Americans Who Mainly Get Their News on Social Media Are Less Engaged, Less Knowledgeable. Pew Research Center.
  5. Goodier, M. (2020). Infodemic investigation: Facebook is biggest source of false claims about coronavirusPress Gazette.
  6. Islam, M. S., Sarkar, T., Khan, S. H., Kamal, A. H. M., Hasan, S. M., Kabir, A., … & Seale, H. (2020). COVID-19–related infodemic and its impact on public health: A global social media analysisThe American journal of tropical medicine and hygiene103(4), 1621.
  7. Loomba, S., de Figueiredo, A., Piatek, S. J., de Graaf, K., & Larson, H. J. (2021). Measuring the impact of COVID-19 vaccine misinformation on vaccination intent in the UK and USANature human behaviour5(3), 337-348.
  8. Avaaz (2020). Facebook’s Algorithm: A Major Threat to Public Health.

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