Die Wissenschaft hat herausgefunden, dass wir Dinge, die verboten sind, automatisch umso mehr begehren. Dieses Phänomen wird als “Forbidden-Fruit-Effect” bzw. “Effekt der verbotenen Früchte” bezeichnet. Wenn wir also bestimmte Lebensmittel von unserer Speisekarte streichen, kann das schnell dazu führen, dass wir uns nach diesen nur umso mehr verzehren!
Das kann im schlimmsten Fall Eure ganze Diät ruinieren! Der Name des “Forbidden-Fruit-Effects” geht übrigens auf die berühmte Geschichte von Eva und Adam aus der Bibel zurück, in der Gott ihnen verbietet, eine bestimmte Frucht vom Baum des Guten und des Bösen zu essen. Obwohl alle anderen Früchte erlaubt waren, musste Eva eine der verbotenen Früchte verschlingen. Adam folgte kurz darauf …

Aber warum führt das Verbot eines Lebensmittels dazu, dass wir uns mehr danach sehnen? Beantworten wir diese Frage mit Hilfe der Wissenschaft
Den Effekt der verbotenen Früchte gibt es wirklich
Der Effekt der verbotenen Früchte wurde in Bezug auf den Lebensmittelkonsum tatsächlich wissenschaftlich nachgewiesen [1].
Ich spreche immer wieder davon, wie wichtig es ist, flexibel zu sein. Eine flexible Denkweise und eine flexible Diät ist eine gute Sache – ganz besonders wenn es ums Abnehmen geht! Ihr solltet also alle Lebensmittel als Lebensmittel betrachten, die Ihr essen dürft. Es ist nicht unmoralisch, lieber mal einen Donut als einen Apfel zu essen, denn Lebensmittel haben keine Moral. Lebensmittel enthalten einfach nur Nährstoffe – und Euer Körper reagiert mit unterschiedlichen Gesundheits- und Genussreaktionen darauf. Wenn Ihr gerne Chips esst, ist daran zunächst einmal nichts Verwerfliches. Auf Dauer wird es jedoch wahrscheinlich eure Gesundheit und körperliche Fitness negativ beeinträchtigen, sodass Ihr weniger Chips und mehr Gemüse in Betracht ziehen solltet. Doch das ist natürlich leichter gesagt als getan.
Dennoch ist es wichtig, diese Grundlage zu verstehen, bevor Ihr mit einer Diät beginnt. Wenn Ihr Lebensmittel als gut oder schlecht anseht, ist die Diät bereits zum Scheitern verurteilt. Der Effekt der verbotenen Früchte wird eintreten und Ihr werdet euch schnell nach genau dem sehnen, was Ihr aktiv meidet [2, 3, 4, 5]. Es wird sich anfühlen, als ob die Einschränkung Euch (ungewollt) auferlegt wurden, sodass Ihr weniger Kontrolle verspürt, was wiederum zu Heißhungerattacken und demotivierenden Schuldgefühlen führt. Wenn Ihr jedoch akzeptiert, dass generell erst einmal kein Lebensmittel tabu ist, sondern Ihr Euch selbst Einschränkungen auferlegt, um Eurer Gesundheit und Eurem Körper etwas Gutes zu tun, könnt Ihr die Kontrolle zurückerlangen. Der Effekt der verbotenen Früchte tritt dann nicht ein, und Ihr könnt bestimmte Lebensmittel erfolgreich aus Eurer Ernährung ausklammern.

Restriktion ist ein notwendiges Übel
Leider sind einige Trainer der Meinung, dass Einschränkungen in der Ernährung immer schlecht sind. Also sagen sie ihren Kunden, dass sie alles essen können, was sie wollen, und versuchen einfach, es an die Makros anzupassen. Aber auch das geht meist nach hinten los. Das Modell, wie wir uns nach Lebensmitteln sehnen, Heißhunger bekämpfen und Erfolg mit einer Diät haben, hängt schließlich sehr oft allein von der Einschränkung ab. Wenn Ihr glaubt, dass Ihr alles essen könnt, was Euer Herz begehrt, solange es zu Euren Makros passt, lebt Ihr in einer Fantasiewelt. Eine Diät ist von Natur aus restriktiv. Ob das Wort Restriktion nun hilfreich ist oder nicht, darüber lässt sich streiten.
Menschen, die erfolgreich abgenommen haben, wissen, dass ein gewisses Maß an Verzicht dazu gehört, wenn man ein lohnendes Ziel erreichen will. Dies zu akzeptieren ist der Unterschied zwischen der Einsicht, dass man einen notwendigen Preis zahlt, und dem zwanghaften Jammern darüber, dass die Diät einem das Leben aussaugt [6]. Tatsächlich haben viele Studien über extreme Einschränkungen ergeben, dass Diätwillige kein gesteigertes Verlangen nach Lebensmitteln haben [14, 15]. Wenn man sich nur auf bestimmte Lebensmittel beschränkt, kann man sich damit genauso gut an die Diät halten und Fett abbauen wie mit einer flexibleren Ernährungsweise [16]. Eine überwältigende Gemeinsamkeit bei einer erfolgreichen Diät ist jedoch, dass man seinem Heißhunger nicht nachgibt [7,8,9,13].
Einschränkung ohne Effekt der verbotenen Früchte
Wenn man also 2 und 2 zusammenzählt, läuft eine erfolgreiche Diät darauf hinaus, dass man sich bewusst ist, dass man essen kann, was man will (schließlich ist man ein erwachsener Dummkopf), sich aber aktiv dagegen entscheidet. Betrachtet es als “einem guten Ratschlag folgen”, anstatt sich gegen seinen Willen in Fesseln zu legen [16]. Jemand, der sich selbst sagt, dass er keine Donuts essen darf, weil sie schlecht für ihn sind, kann darauf nicht erfolgreich verzichten. Der Effekt der verbotenen Frucht wird dann auf jeden Fall diverse Heißhungerattacken auf Donuts auslösen. Jemand, der sich hingegen selbst sagt, dass Donuts in Ordnung sind, er aber keine essen möchte, weil sie zu viele Kalorien haben, kann auf Donuts verzichten, ohne dass der Effekt der verbotenen Früchte sein Verlangen danach ins Unermessliche steigert.
Mit anderen Worten: Zwei Menschen können dasselbe Verhalten an den Tag legen, indem sie sich ein bestimmtes Lebensmittel verbieten, aber die zugrunde liegende Einstellung führt zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen.

Auf welche Lebensmittel sollte ich verzichten?
Zum Glück müssen manche Menschen nicht auf bestimmte Lebensmittel verzichten, wenn sie im Rahmen ihrer Makros essen können, was sie wollen. Das ist der Traum. Viele Menschen haben allerdings Trigger-Lebensmittel, die sie dazu verleiten, ungehemmt mehr zu essen. Es kann zu schwierig sein, diese leckeren Lebensmittel in Maßen zu essen oder bei einem so niedrigen Kalorienbudget satt zu bleiben. Daher sollten diese Lebensmittel eingeschränkt werden.
Die gängige Meinung besagt, dass man auf seinen Körper hören und dem Hungergefühl nach bestimmten Lebensmitteln nachgeben sollte, um satt zu werden. Das kann funktionieren, bewirkt aber oft das Gegenteil. Der Grund, warum Ihr Euch so sehr nach bestimmten Lebensmitteln sehnt, ist, dass Ihr diese Lebensmittel immer wieder esst [9,10]. Es kommt weniger darauf an, wie stark Ihr einem Verlangen nachgebt, sondern wie häufig, denn die Häufigkeit hält das Verlangen in Eurem Gedächtnis frisch [11]. Um Euer sabotierendes Verlangen loszuwerden, müsst Ihr es aushungern oder zumindest die Gelegenheiten zum Essen reduzieren. Die Lebensmittel, an die Ihr am meisten denkt, sabotieren wahrscheinlich auch Eure Diät am stärksten [23]. Ergo, je häufiger Ihr darauf verzichtet, desto geringer wird auch das Verlangen danach.
Mit der Zeit gewöhnt man sich an den Verzicht
All die IIFYM-Fanboys drehen durch, wenn sie das hören, weil sie denken, dass jeder mit einer flexiblen Diät täglich Kekse und Schokolade essen kann. Nochmals: Flexibilität ist großartig für die Denkweise, aber die praktische Ernährung erfordert oft bestimmte Einschränkungen und Grenzen innerhalb dieser Flexibilität. Hier ist noch ein anderer Blickwinkel, um die Dinge ins rechte Licht zu rücken. Stellt Euch vor, eine Freundin von Euch hat sich vor kurzem aus einer toxischen Beziehung mit ihrem emotional missbrauchenden Freund gelöst. Sie vermisst ihn immer noch und sehnt sich nach Zeit mit ihm. Ihr würdet niemals sagen: “Am gesündesten ist es, sich jedes Wochenende mit ihm zu treffen, um dieses Verlangen zu stillen.” Das wäre ein absurder Ratschlag. Stattdessen würdet Ihr ihr raten, ihn aus ihrem Leben zu verdrängen, auch wenn das anfangs nicht leicht sein wird. Das ist zwar ein etwas extremes Beispiel, aber Ihr tut dasselbe mit der Sabotage von Essensgelüsten, sobald Ihr diese klar erkannt habt. Am Anfang wird es schwer sein, den Konsum bestimmter Lebensmittel zu reduzieren, aber wenn man es richtig und konsequent genug macht, kann man eine Diät erfolgreich langfristig durchführen, ohne sich nach diesen Lebensmitteln zu sehnen.

Tatsächlich hat die Forschung herausgefunden, dass der Verzicht auf bestimmte kalorienreiche Lebensmittel oder bestimmte ungesunde Lebensmittel die Vorliebe für nahrhafte Lebensmittel erhöht und die Vorliebe für Junkfood verringert, während das Gehirn auf eine gesündere Belohnungsreaktion auf Lebensmittel umgestellt wird [12, 18-22]. Das hilft dabei, abzunehmen, ohne zu hungern und ist zudem der Grund, warum es so viele Diätkulte gibt. Wenn Menschen lange genug eine Diät machen, beginnen sie, die Lebensmittel innerhalb dieser Diät zu bevorzugen. Mit anderen Worten: Man sehnt sich nach dem, was man mag, und man mag, was man isst, und schwärmt daher für das, was man zu sich nimmt.
Fazit
Wenn Ihr bestimmte Lebensmittel aus Eurer Ernährung streicht, weil Ihr glaubt, dass sie schlecht für Euch sind oder Euch zu einem schlechten Menschen machen, werdet Ihr Euch umso mehr nach diesen Lebensmitteln sehnen. Das ist der Effekt der verbotenen Früchte. Die Einschränkung ungesunder Lebensmittel ist jedoch dennoch sinnvoll für den Erfolg einer Diät, und die Forschung zeigt, dass dies möglich ist, ohne den Effekt der verbotenen Früchte auszulösen, solange man die Gründe dafür versteht. Das bedeutet, dass Ihr flexibel sein müsst und essen könnt, was Ihr wollt – euch aber aktiv dafür entscheidet, es nicht zu tun, weil bestimmte Lebensmittel für eure Ziele nicht geeignet sind. Wenn es Euch gelingt, lange genug darauf zu verzichten, könnt Ihr Euer Gehirn sogar so umprogrammieren, dass es in Zukunft automatisch ein geringeres Verlangen nach diesen Lebensmitteln auslöst.
Referenzen
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