Sport zu treiben ist wirklich eine lausige Methode, um Körperfett zu verbrennen. Die tatsächliche Menge an verbrannten Kalorien durch körperliche Bewegung und Sport ist viel geringer, als die meisten Menschen glauben. Klar, der Sport bietet zahlreiche Vorteile für unsere allgemeine Gesundheit – doch wenn es um das Abnehmen bzw. den Fettabbau geht, sind die Auswirkungen eher gering.
Ich persönlich weiß aus Erfahrung, dass Sport in der Regel nicht wirklich gut für den Fettabbau geeignet ist. Wenn man schon so lange in der Fitnessbranche wie ich unterwegs ist, dann sieht man Dinge. Man lernt Dinge. Und was ich gesehen und gelernt habe, ist, dass kaum jemand, der beschließt, Körperfett zu verlieren, indem er ausschließlich stemmt, strampelt, schwimmt, läuft oder hüpft, dies auch tut – zumindest nicht in einem nennenswerten Ausmaß.

Man kann das ganze allerdings auch einfach nachrechnen. Man müsste praktisch einen mit Roheisen gefüllten Schlitten den Kilimandscharo hinaufschleppen – und zwar nicht nur auf normale Weise, sondern mit einem dieser extrastarken neonfarbenen Stretchbänder um die Oberschenkel -, um die Anzahl der Kalorien zu erreichen, die man einspart, wenn man sich beim Abendessen keinen Nachschlag gönnt.
Tatsache ist, dass die einfache Einschränkung der Kalorienzufuhr viel, viel besser beim Abnehmen funktioniert als Sport. Und dafür gibt es inzwischen auch handfeste wissenschaftliche Beweise. Denn laut einer neuen Studie verbrennen wir im Schnitt nur knapp 72% der ursprünglich angenommen Kalorien durch Sport. Das heißt, von 100 kcal, die man bei sportlicher Betätigung verbrennen soll, verbrennt man in Wahrheit lediglich knapp 72 kcal. Das liegt daran, dass ein hohes Aktivitätsniveau angeblich “zu einem abnehmenden Energieertrag führt, weil der Energieaufwand bei Nichtaktivität kompensiert wird”. Kurz gesagt, Ihr verbrennt beim Sport weniger Kalorien, als Ihr dachtet – vor allem bei längeren Workouts. Schließlich stellt sich der Körper mit der Zeit auf die Belastung ein, sodass eine Aktivität, die in einer Stunde 100 kcal verbrennen soll, bei einer zweistündigen Dauer nicht mal annähernd 200 kcal verbrennt.
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Wie viele Kalorien man wirklich beim Sport verbrennt
Wissenschaftler haben schon lange vermutet, dass mit der Zusammenhang zwischen Bewegung und Energieverbrauch nicht so stark ist, wie es zunächst erscheinen mag. Die Idee gewann allerdings erst im Jahr 2012 an Popularität, als eine Studie über afrikanische Jäger und Sammler veröffentlicht wurde [1]. Während die darin untersuchten Ureinwohner stundenlang liefen, trabten, auf Büsche einhackten, auf Bäume kletterten und sich bückten, um Nahrungsmittel aufzusammeln, verbrannten sie am Tag trotzdem etwa nur so viele Gesamtkalorien wie der durchschnittliche Deutsche, dessen anstrengendste tägliche Aufgabe darin besteht, sich am Drive-in aus dem Fenster zu lehnen, um sein Abendessen in Empfang zu nehmen, wenn er die Entfernung zwischen Auto und Kasse falsch eingeschätzt hat. Die einzig mögliche Schlussfolgerung aus dieser Studie ist, dass die Körper der Jäger und Sammler die ganze Arbeit irgendwie kompensieren, damit sie bei der Nahrungssuche nicht verhungern.

Die Studie war wahrscheinlich auch ein Art Stein des Anstoßes für eine Gruppe von Wissenschaftlern aus der ganzen Welt unter der Leitung von Vincent Careau und Lewis Halsey, die Stoffwechseldaten aus mehreren Studien mit 1.754 Männern und Frauen zusammengefasst haben, um weitere Schlüsse über den Zusammenhang von körperlicher Bewegung und Kalorienverbrauch zu ziehen [2]. Die Forscher ermittelten den Körperumfang und den Basalenergieverbrauch, der angibt, wie viele Kalorien eine Person allein durch ihre Existenz verbrennt und zogen diesen vom Gesamtenergieverbrauch ab (die Kalorien, die durch Bewegung, Herumlaufen etc. verbrannt werden). Anschließend verglichen sie diese Zahlen mit statistischen Modellen, um herauszufinden, wie viele Kalorien die Menschen verbrennen, wenn sie sich mehr bewegen, z. B. Sport treiben. Dabei haben Sie herausgefunden, dass die Menschen tatsächlich nicht dazu neigen, mehr Kalorien zu verbrennen, wenn sie Sport treiben … zumindest nicht so viele, wie man erwarten würde. Wie ich oben bereits geschrieben habe, haben die meisten Menschen im Durchschnitt nur ca. 72 % der Kalorien verbrannt, die man nach herkömmlichen Schätzungen erwarten würde.
In diesem Artikel lest Ihr, was der einfachste Weg um die tägliche Kalorienzufuhr zu berechnen ist.
Darüber hinaus wurde festgestellt, dass dieser Wert stark von der Körpermasse beeinflusst wird. Bei schweren Menschen liegt die untere Grenze sogar bei stolzen 50%. Das heißt, wenn die ohnehin schon sehr ungenaue Anzeige auf dem Laufband angibt, dass man 200 Kalorien pro Stunde verbrennt, verbrennt man in Wirklichkeit vielleicht nur 100 Kalorien. Das könnte auch eine Erklärung für all die übergewichtigen Menschen sein, die manchmal wochenlang stundenlang auf dem Laufband stehen, nur um kaum Fett zu verlieren.
Das Aktivitätsdilemma
Die unangenehme Konsequenz dieser Studie ist, zumindest für Menschen, die Sport treiben und sich ihres Körpers bewusst sind, dass die kalorienverbrennende Wirkung von Sport nicht das ist, was sie zu sein scheint. Dies erklärt auch die Ergebnisse des Mathematikers Kevin Hall, dessen Berechnungen die Ergebnisse von Careau und Halsey bereits vorweggenommen haben [3]. Hall fand heraus, dass die Menschen im Laufe des ersten Jahres einer Diät nur etwa die Hälfte der vorhergesagten Menge abnehmen. Er berechnete, dass die tatsächliche Kalorienzahl, die zur Verbrennung eines halben Kilogramms Fett erforderlich ist, bei den meisten Menschen bei etwa 7.000 kcal liegt und nicht bei den zuvor angenommen 3.500 kcal [4]. Worüber Hall gestolpert sein könnte, ist lediglich die mathematische Realität hinter dem, was Careau und Halsey “Kalorienkompensation” nennen. In der Praxis bedeutet dies, dass Menschen mit einem überdurchschnittlich hohen Aktivitätsenergieverbrauch tendenziell einen unterdurchschnittlichen Basalenergieverbrauch haben. Je aktiver man also im Durchschnitt ist, desto weniger Kalorien verbrennt man, weil der Körper dies kompensiert.

Wer abnehmen möchte sollte seine Kalorienzufuhr einschränken
Natürlich spielt bei diesem Phänomen die Genetik eine wichtige Rolle. Einige Menschen könnten “schwache Kompensatoren” sein, sodass für sie Bewegung dennoch eine wertvolle Maßnahme zum Fettabbau sein könnte (wenn auch nicht annähernd so wertvoll wie eine Kalorienrestriktion). “Starke Kompensatoren” hingegen sollten vielleicht akzeptieren, dass der Sport für Sie eher gesundheitliche Vorteile mit sich bringt als effektiv beim Abnehmen zu helfen. In naher Zukunft werden wir wahrscheinlich in der Lage sein, einzelne Personen zu testen, um festzustellen, ob sich Bewegung für sie als Maßnahme zur Gewichtsreduzierung “lohnt”. Dennoch bleibt mein anfänglicher Standpunkt bestehen: Kalorienrestriktion in Form einer Diät ist weitaus besser als Sport, um Körperfett zu verlieren, unabhängig davon, ob man ein starker oder ein schwacher Kompensator ist!
Hilfreiche Tipps zum Abnehmen ohne Hungern findet Ihr hier: Die wichtigsten Regeln zum Abnehmen ohne Hungern
Referenzen
- Pontzer, H., Raichlen, D. A., Wood, B. M., Mabulla, A. Z., Racette, S. B., & Marlowe, F. W. (2012). Hunter-gatherer energetics and human obesity. PloS one, 7(7), e40503.
- Careau, V., Halsey, L. G., Pontzer, H., Ainslie, P. N., Andersen, L. F., Anderson, L. J., … & Forrester, T. (2021). Energy compensation and adiposity in humans. Current Biology, 31(20). 4659-4666.
- Hall, K. D., Heymsfield, S. B., Kemnitz, J. W., Klein, S., Schoeller, D. A., & Speakman, J. R. (2012). Energy balance and its components: implications for body weight regulation. The American journal of clinical nutrition, 95(4), 989-994.
- Webb, D. (2014). Farewell to the 3,500-calorie rule. Today’s Diet, 26, 36-39.
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